Michael Kirchberger - 18. März 2016, 11:42 Uhr - 4x4 Allrad NEUHEITEN
Range Rover Evoque Cabriolet: Matsch und Fun
Das gab''s noch nie. Doch, das gab es sehr wohl schon. In einer Zeit, als SUV noch Geländewagen hießen, waren deren offene Versionen durchaus beliebt. Dennoch ist das Range Rover Evoque Cabrio mit seinen stämmigen Formen ein wahrer Hingucker.
Vergleichen kann man das Evoque Cabriolet in der Tat mit keinem anderen Auto. Zwar gibt es zurzeit noch einen offenen Jeep, den aber wollen wir ebenso wie die längst verflossenen Typen à la Pajero Canvas von Mitsubishi oder den Suzuki Eljot eher der Geländewagen-Riege zuordnen. Und ob sich am fein mit Leder bezogenen und beheizbaren Volant des Evoque Cabrios die typische Sonnenbank-gebräunte Nutzerin vergangener Tage, bekleidet mit pinkfarbenem, knappen Top und lässigen Jeans wiederentdecken lässt, das darf wahrlich bezweifelt werden. Das Cabrio von Land Rover ist besonders - und wird vermutlich von ebensolchen Kunden bestellt werden. Auffallen wollen, sich individuell und extrovertiert geben, das mögen die wesentlichen Charakterzüge eines Erwerbers des mit drei verschiedenen Motorisierungs-Optionen angebotenen Frischluft-SUV sein.
Die jüngste Edition eines unverwechselbaren Land Rovers bringt alle Zutaten mit, ein wahres Kult-Auto zu werden. Vier Sitzplätze, die straffen Formen des ohnehin schon atemraubenden fünftürigen Coupés, dazu die uneingeschränkte Geländetauglichkeit mit permanentem oder entkoppelbarem Allradantrieb. Die Probefahrt über extreme Hindernisse beweist, das Cabrio kann alles, was einen Landy ausmacht. Erkauft haben die Entwickler die hohe Verwindungssteifigkeit der Karosserie allerdings mit einer mächtigen Gewichtszunahme. Um rund 200 auf 1.967 Kilogramm steigt die Masse des offenen Evoque, alles was oben abgeschnitten wurde, musste mehr als doppelt so schwer in die Bodenplatte eingebracht werden, damit sich die Türen, der Kofferraumdeckel und vor allem auch das Dach bei erheblicher Verschränkung der Achsen im Gelände mühelos öffnen und schließen lassen.
Wozu das alles? Damit der offene Evoque seinen blechbedachten Brüdern in keiner Disziplin unterlegen ist, sagt Wolfgang Epple, Direktor des Forschungs- und Entwicklungsbereichs bei Jaguar/Land Rover. Die überwiegende Mehrheit der Kundschaft wird das hohe Leitungspotenzial des Cabriolets dennoch wohl niemals auch nur annähernd ausschöpfen. Aber es geht ums Prinzip, das ist eben so im guten alten England, auch wenn die traditionsreiche britische Allradmarke seit geraumer Zeit schon zum indischen Schwermetallkonzern Tata gehört.
Das Evoque Cabrio fährt sich wie ein Sportwagen. Sehr gute Handling-Eigenschaften, eine präzise Lenkung und die dennoch angemessen komfortabel abgestimmte Federung machen das Reisen angenehm. Kurvenreiche Strecken meistert der Wagen mit Bravour, mit geöffnetem Dach bleiben die Stürme im Innenraum aus, ein Windschott, das allerdings die Sitze im Fond versperrt, macht den Starkwind bei Tempo 120 auf den vorderen Sitzen zum lauen Lüftchen. Die beiden Plätze auf der Rückbank sind knapp bemessen, vorne ist das Raumangebot dagegen tadellos. Das fünflagige Stoffdach senkt nach dem Schließen das Geräuschniveau wirksam, es öffnet in 18 und bedacht das Cabrio in 21 Sekunden, beides bis zu einer Geschwindigkeit von 48 km/h. Ein rechter Reisewagen ist das Evoque Cabrio jedoch nur für zwei. In den Kofferraum passen 251 Liter Gepäck, wenigsten gibt es eine Durchlademöglichkeit, die es erlaubt, auch zwei Paar Ski mit auf Tour zu nehmen.
Die beiden Vierzylinder-Diesel leisten 110 kW/150 PS und 132 kW/180 PS, trotz ihrer hohen Drehmomente müssen sie sich ordentlich ins Zeug legen, um das üppige Gewicht des Cabrios in Schwung zu bringen. 5,7 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer verbrauchen beide nach Norm, bei einer Probefahrt zeigte der Bordcomputer allerdings kurzzeitig auch bis zu elf Liter Dieselkonsum an. Vor allem für Amerika und den chinesischen Markt, wo der Selbstzünder ein Schattendasein führt, ist der 177 kW/240 PS starke Vierzylinder-Turbobenziner gedacht. Er liefert 340 Nm Drehmoment und schafft es als einziger im Trio, das Cabrio in weniger als 10 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Allerdings verlangt er schon bei der Normmessung 8,6 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer, Praxiswerte unter 10 Liter dürften da kaum realistisch sein. Bei allen Versionen überträgt ein neunstufiges Automatikgetriebe die Kräfte in den Antriebsstrang, es wechselt die Übersetzungen sanft und mit Bedacht.
Das Evoque Cabriolet ist eine Spezialität, die viele gerne betrachten, aber nicht näher in Betracht ziehen. Wenn doch, dann taugt es eher als Zweitwagen und bringt dann die Vorzüge eines SUV mit, die hohe Sitzposition und das komfortable Einsteigen. Worin die Markt-Chancen des offenen Range liegen? Formal mag er junge und Trend-orientierte Käufer begeistern, seine Eigenschaften sprechen dagegen auch ältere Kunden an.
Michael Kirchberger/mid
Technische Daten:
Zweitüriges, viersitziges SUV-Cabriolet, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,37/1,98/1,61/2,66 Meter, Kofferraumvolumen: 351 l, Leergewicht: 1.930 - 1.967 kg, max. Zuladung: ca. 380 kg, Tankinhalt: 54 - 68 l.
Motoren:
2.0 TD4 150: Vierzylinder-Turbobenziner mit zwei Liter Hubraum, max. Leistung: 110 kW/150 PS bei 4.000/min, 9stufiges-Automatikgetriebe, max. Drehmoment: 380 Nm bei 1.750/min, 0-100 km/h: 12 s, Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h, Normverbrauch: 5,7 l Diesel/100 km, CO2-Emission: 149 g/km, Preis: ab 51.200 Euro.
2.0 TD4 180: Vierzylinder-Turbodiesel mit zwei Liter Hubraum, max. Leistung: 132 kW/180 PS bei 4.000/min, 9stufiges-Automatikgetriebe, max. Drehmoment: 430 Nm bei 1.750/min, 0-100 km/h: 10,3 s, Höchstgeschwindigkeit: 195 km/h, Normverbrauch: 5,7 l Diesel/100 km, CO2-Emission: 149 g/km, Preis: ab 54.100 Euro.
2.0 Si4: Vierzylinder-Turbobenziner mit zwei Liter Hubraum, max. Leistung:177 kW/240 PS bei 5.800/min, 9stufiges-Automatikgetriebe, max. Drehmoment: 340 Nm bei 1.750/min, 0-100 km/h: 8,6 s, Höchstgeschwindigkeit: 209 km/h, Normverbrauch: 8,6 l Benzin/100 km, CO2-Emission: 201 g/km, Preis: ab 55.100 Euro.
Bewertung:
Plus:
Kaum Luftverwirbelungen im Innenraum, agile Fahreigenschaften, guter Federungskomfort, präzise Lenkung, geringe Geräuschentwicklung, Durchlademöglichkeit für Ski, uneingeschränkt hohe Geländetauglichkeit
Minus:
Hohes Gewicht, Motorleistung beim Basisdiesel nur knapp ausreichend, sehr eingeschränkte Sicht nach hinten bei geschlossenem Dach, Kofferraumvolumen für vier Passagiere zu klein, hoher Verbrauch der Spitzenmotorisierungen.
Dieser Artikel aus der Kategorie 4x4 Allrad Auto NEUHEITEN wurde von Michael Kirchberger am 18.03.2016, 11:42 Uhr veröffentlicht.
