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4Mythen um den weiblichen Crashtest-Dummy
mid Groß-Gerau - Bei der Entwicklung männlicher und weiblicher Dummys wird die jeweilige Anatomie berücksichtigt. Mercedes-Benz
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Lars Wallerang - 9. Februar 2024, 12:16 Uhr - 4x4 Allrad RATGEBER

Mythen um den weiblichen Crashtest-Dummy

Noch bevor weibliche Dummys gesetzlich gefordert wurden, machte Mercedes-Benz sie zum Standard für Frontal- und Seitencrashs.


Noch bevor weibliche Dummys gesetzlich gefordert wurden, machte Mercedes-Benz sie zum Standard für Frontal- und Seitencrashs. Seit 20 Jahren ist die sogenannte "Fünf-Prozent-Frau" Fahrerin, Beifahrerin oder Fondinsassin bei Frontal-Crashtests von Mercedes-Benz - und gleichberechtigte Partnerin des klassischen männlichen Dummys Hybrid III 50.

Er hat die Proportionen einer Frau mit weiblichen Brüsten und Beckenknochen. Nur fünf Prozent der amerikanischen Frauen sind laut der zugrunde liegenden Statistik kleiner oder leichter. Heute finden sich Testvorschriften mit der "Fünf-Prozent-Frau" auch in Ratings von Verbraucherschutzverbänden und verschiedenen Gesetzen weltweit wieder.

Ebenfalls seit zwei Jahrzehnten ist der weibliche Dummy SID-IIs bei Mercedes-Benz Crashtests im Einsatz. Er hat dieselbe Anatomie wie der Hybrid III 5 und ist speziell für Seitenaufprallversuche entwickelt. Anders als in den USA ist er in Europa bislang jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Seit mehr als 50 Jahren untersucht die unternehmenseigene Unfallforschung Verkehrsunfälle, an denen Mercedes-Fahrzeuge beteiligt sind. Ziel ist es, zu verstehen, wie Unfälle entstehen und durch welche verbesserten Schutzsysteme sie verhindert werden könnten. Hinzu kommen bis zu 900 Crashtests und 1.700 Schlittenversuche pro Jahr im Technologiezentrum für Fahrzeugsicherheit in Sindelfingen.

Dafür stehen 120 Dummys in 21 Varianten bereit - vom Säugling über die Fünf-Prozent-Frau und den 50-Prozent-Mann bis hin zum großgewachsenen, schweren Mann. Die Ergebnisse aus den Crashtests und der Unfallforschung fließen in die Entwicklung neuer Sicherheitstechnologien und die Verbesserung bestehender Systeme ein.

Mythen ranken sich rund um das Thema weibliche Dummys. Hanna Paul, Leiterin Mercedes-Benz Dummy-Testing, unterzieht sie einem Faktencheck.

Mythos 1: Frauen sind im Auto nicht so gut geschützt wie Männer. "Nein",sagt Hanna Paul: "Bei schweren oder tödlichen Verletzungen bestehen keine erkennbaren relevanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern; und bei leichten Verletzungen gibt es im Einzelfall gewisse Unterschiede. Je nach Körperregion sind mal die Frauen (Beine/Füße und Schleudertrauma beim Heckaufprall) und mal die Männer (Kopf, Brust) stärker betroffen."

Mythos 2: In Crashtests werden vorwiegend männliche Dummys eingesetzt. Hanna Paul: "Nicht bei Mercedes-Benz. Wir verwenden seit über 20 Jahren einen weiblichen Frontalaufprall-Dummy und einen weiblichen Seitenaufprall-Dummy bei unseren Crashtests. Dummys sind aber keine menschlichen Puppen. Sie sind Messinstrumente, die physikalische Kräfte und Wege messen. Gewicht und Größe der Dummy-Geschlechter werden von realen menschlichen Daten abgeleitet."

Mythos 3: Schwangere sind schlechter geschützt. "Ein Systemvergleich in einer aktuellen Studie des ADAC zeigt, dass der normale Sicherheitsgurt sowohl die werdende Mutter als auch das ungeborene Kind bei einem Unfall gut schützt", berichtet Hanna Paul. "Schwangere sind laut ADAC Unfallforschung beim Autofahren keinem höheren Risiko ausgesetzt als andere Autofahrerinnen." Der normale Dreipunktgurt könne, sofern korrekt genutzt, die werdende Mutter und das ungeborene Kind bei einem Unfall gut schützen.

Mythos 4: Simulationen machen physische Crashtests bald überflüssig. "Das sehen wir nicht",sagt Hanna Paul. "Zwar kann die Berechnung der Kinematik und des Verformungsverhaltens die Anzahl von Gesamtfahrzeugversuchen deutlich reduzieren und die Entwicklung beschleunigen." Am Fahrzeugcrash führe aus mehreren Gründen aber kein Weg vorbei: "Crashtests sind nötig, um die Simulationen, die mit vielen Annahmen durchgeführt werden, zu bestätigen." Außerdem seien sie gesetzlich oder von Ratings vorgegeben. Das Zusammenspiel aus Sensorik, Crash- und Dummy-Verhalten lasse sich im Gesamtfahrzeugversuch am besten absichern.

Dieser Artikel aus der Kategorie 4x4 Allrad Auto RATGEBER wurde von Lars Wallerang am 09.02.2024, 12:16 Uhr veröffentlicht.