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Benjamin Bessinger/SP-X - 8. März 2019, 12:00 Uhr - 4x4 Allrad NEUHEITEN

Panorama: Making of des VW ID Buggy - Vom Stückwerk zum Showstar

Er zählt zu den großen Stars beim Automobilsalon in Genf. Doch damit der charmante VW ID Buggy es überhaupt auf die Bühne schafft, mussten eine Menge Mitarbeiter in Wolfsburg reichlich Überstunden machen.

Es ist Montagabend in Genf und zwölf Stunden vor der Eröffnung des Automobilsalons entlädt sich mit dem Blitzlichtgewitter über Klaus Bischoff und Herbert Diess auch die Spannung des gesamten VW-Teams. Denn dafür, dass sich der Designchef und sein Vorstandsvorsitzender jetzt mit der gritzegrünen Studie des ID Buggy im Rampenlicht sonnen, haben ein Dutzend Designer und noch einmal so viele Modellbauer die letzten Tage ordentlich geschafft. Und wer das Team vor drei Wochen in einer streng geheimen Halle außerhalb des Werksgeländes besuchte, hätte nie und nimmer geglaubt, dass aus diesem Puzzle rechtzeitig ein fertiges Auto würde.

Denn viel mehr als ein Skelett aus ausgehärtetem Kunststoffschaum ist an diesem Tag noch nicht zu sehen. Von der Batterie im Unterboden, die einmal Strom für 250 Kilometer liefern soll, fehlt genau wie vom 150 kW/204 PS starken E-Motor im Heck, der in 7,2 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und erst bei 160 km/h abgeregelt wird, noch jede Spur. Statt des mattgrünen Lacks sieht man noch poröse Oberfläche, wo einmal LED-Scheinwerfer strahlen sollen, klaffen große Löcher, es gibt keine Scheiben, das Lenkrad fällt in seine Einzelteile auseinander und das Interieur ist noch gar nicht montiert. Selbst der Sessel, auf dem Bischoff gerade seine Sitzprobe macht, wackelt noch gefährlich, weil er einfach nur auf den blanken Boden gestellt, statt festgeschraubt wurde.

Auf der einen Seite ist es imposant, wie weit die Mannschaft bereits gekommen ist. Denn es sind gerade einmal vier Monate vergangen, seitdem die Idee geboren und der erste Strich gezeichnet wurde. Und auf der anderen Seite ist es erschreckend, wie wenig Zeit dem Team noch bleibt, um aus dem Stückwerk, das noch auf Metallstempeln steht, statt auf den grobstolligen 18-Zoll-Rädern, einen Showstar zu machen.

Doch schon im Rohbau kann man die Form leicht erkennen. Denn an der hat sich nur wenig geändert, seit der kalifornische Bootsbauer Bruce Meyer vor über 50 Jahren die erste Fiberglaskarosse über ein Käfer-Chassis gestülpt und so den Buggy geboren hat. Außerdem spielt das Konzept den Modellbauern in die Karten. Schließlich geht es Bischoff bei dieser Studie um die pure Freude am Fahren, von der nichts und niemand ablenken soll. ,,Das ist in der letzten Zeit in der ganzen Branche aber auch bei uns ein wenig kurz gekommen", räumt Bischoff ein und sieht in der Elektromobilität die Chance, dass man sich auch mal wieder Spaß am Auto erlauben darf, weil man mit einem elektrischen Buggy selbst am Strand kein schlechtes Gewissen haben muss.

Übersetzt heißt diese pure Freude für Bischoff neben der schlichten Form vor allem keine unnötigen Assistenzsysteme und keine überflüssige Ausstattung. Deshalb gibt es weder Klimaanlage noch Seitenfenster und auch nur eine Art Plane anstelle eines Verdecks - alles Details, die seine Mannschaft nicht von Hand schnitzen und auf den letzten Drücker einbauen muss. Die Modellbauer und Designer haben nämlich mit den ewigen Lackproben, mit der Auswahl des wasserdichten Stoffs, mit der Farbe der Gurte und der Form der Felgen schon mehr als genug zu tun.

Designchef Klaus Bischoff hat in seinem Leben schon genügend Studien gebaut, um sich von solchen Projekten nicht mehr den Schlaf rauben zu lassen. Außerdem muss er während der heißen Phase ja nicht mehr selbst Hand anlegen und nur alle paar Tage mal nach dem Rechten schauen. Aber er weiß auch, dass es trotz bester Planung jedes Mal knapp wird. ,,Je näher der Termin rückt, desto länger werden die Tage hier in der Halle und desto kürzer werden die Nächte der Kollegen daheim", sagt er und erzählt von der steigenden Spannung, die sich dann im gesamten Team breitmacht.

Der ganze Aufwand kostet viel Geld: Einfache Tonmodelle gibt es nach Informationen aus Branchenkreisen zwar bereits für wenige hunderttausend Euro. Doch in fahrfähige Studien wie der ID Buggy werden nach Angaben verschiedener Designer schnell mal 1,5 oder 2,5 Millionen Euro investiert. Aber das Geld ist gut angelegt. Schließlich ist jede Studie ein Blickfang, bringt Marken und Modelle in die Nachrichten und macht das Publikum im besten Fall neugierig auf die Neuheiten der nächsten Jahre. ,,Aber Studien haben nicht nur eine Außenwirkung", sagt Opel-Entwickler Frank Leopold. Sondern oft können die Modelle viel besser als ein paar Designskizzen oder Computeranimationen dabei helfen, interne Widerstände zu überwinden: ,,Denn nur wenn genug ,wow' aus einer Idee kommt, gibt es in den Vorstandsrunden grünes Licht".

Auch bei VW dürfte sich die Mühe lohnen, selbst wenn sich die Niedersachsen diesmal für einen Partner krumm machen. Denn wie immer bei VW, wenn es um kleine Stückzahlen und großen Spaß geht, machen sie den Job in Wolfsburg nicht selbst. Sondern so, wie der Buggy bei Bruce Meyer und einem Dutzend anderer Kleinserienhersteller entstanden ist, oder Karman auf VW-Technik den eleganten Ghia gebaut hat, so will VW auch das Buggy-Paket an einen fremden Karossier vergeben, sagt Bischoff und verfolgt damit gleich zwei Ziele. Zum einen soll die Marke über diesen Umweg einen überfälligen Sympathieträger bekommen, der dann in der Imagewertung auch den mittlerweile eingestellten Beetle ersetzen kann. Und zum anderen geht es darum, die Stückzahlen für die Elektro-Plattform in die Höhe zu treiben, auf deren Basis auch das Golf-Pendant ID Neo kommt. ,,Jede Einheit mehr drückt den Preis und macht Elektromobilität so wieder etwas bezahlbarer", rechtfertigt Bischoff die Preisgabe der kommenden Kronjuwelen. Und wenn man bedenkt, dass in den Siebzigern und Achtzigern immerhin rund 250.000 Buggies gebaut wurden, macht dieses Kleinvieh ganz schön Mist.

Der erste Partner ist schon gefunden: Das Aachener Start-up e.Go soll sich den Modularen Elektrifizierungsbaukasten zu eigen machen und den Buggy auf die Straße bringen. ,,In spätestens zwei Jahren sollte er auf der Straße oder besser am Strand sein", sagt Bischoff . Und für diese Aussicht können sich seine Mitarbeiter schon mal ein paar Nächte um die Ohren schlagen.

Außerdem sind die Niedersachsen mit dieser Hektik nicht allein. Showcars sind immer eine schwere Geburt, sagt Renaults Designchef Laurens van den Acker und erzählt von langen Nächten in schlecht gelüfteten Werkstätten, in denen man knöcheltief im Ton der Modellbauer steht und ganz benommen wird vom Duft der Klebstoffe und Lacke. ,,Egal wie gut man sie plant, werden die Autos immer auf die letzte Minute fertig", stöhnt der Niederländer. Und manchmal eben auch nicht. Zumindest nicht in der Werkstatt. Sondern jeder Designer kann Geschichten von Studien erzählen, bei denen der Lack erst im Laster auf dem Weg zur Messe getrocknet ist, bei denen die Teppiche erst auf dem Messestand eingeklebt oder die Software für das Infotainment System erst kurz vor der Enthüllung aufgespielt wurde. ,,Ruhig schlafen können wir erst wieder nach einer Messe", sagt Dzemal Sjenar, der bei VW den Aufbau der Showcars koordiniert.

Ganz zu schweigen davon, wenn mal etwas schief läuft. Wie damals bei Mazda, als eine Studie für die Autoshow in Los Angeles beim Ausladen vom Laster fiel und dann über Nacht der ganze Stand umgebaut werden musste, damit man den Wagen nur von einer Seite sehen konnte. Oder zuletzt in Detroit bei Infiniti. Dort hatte ausgerechnet der Vorbote des ersten elektrischen Serienmodells der Japaner offenbar einen Wackelkontakt - und blieb bei der Pressekonferenz in den Kulissen stehen.

Dieser Artikel aus der Kategorie 4x4 Allrad Auto NEUHEITEN wurde von Benjamin Bessinger/SP-X am 08.03.2019, 12:00 Uhr veröffentlicht.