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Klaus Brieter - 21. März 2018, 09:32 Uhr - 4x4 Allrad NEWS

Wenn das Auto seinen Strom selber produziert

Zur mobilen Zukunft gehört bei Mercedes das Brennstoffzellenauto auf jeden Fall dazu. Die Technik wird immer feiner, raumsparender und effizienter. Noch 2018 geht der Mercedes GLC F-Cell in Serie, auf dessen Antriebstechnologie die Techniker bereits einen Blick freigeben.


"Das Auto der Zukunft ist nur noch eine IP-Adresse". Sätze wie dieser lassen aufhorchen, wenn Prof. Dr. Christian Mohrdieck, der bei Mercedes die Entwicklung der Brennstoffzellen-Systeme leitet, über die Mobilität von morgen und den aktuellen Stand der F-Cell-Technik spricht. "F-Cell", diesen Beinamen tragen bei Mercedes die Autos, die Wasserstoff tanken und daraus mithilfe der Brennstoffzelle elektrischen Strom produzieren, der dann den Elektromotor quicklebendig werden lässt.

Zum Einstieg in seinen Vortrag nennt er Megatrends, die das Fahrzeug und die Mobilität der Zukunft bestimmen und stellt den Begriff CASE in den Raum. Jeder Buchstabe steht für ein eigenes Schlagwort. C für Connected (die Sache mit der IP-Adresse), A für Autonom (die Autos übernehmen das Fahren teilweise selbst), S für Shared und Services (heutiges Fallbeispiel: die Kurzzeit-Mietwagen von car2go) und E für Elektrifizierung und Hybridisierung der Antriebe.

Auf dem Weg dorthin setzt Daimler auf drei Säulen: Weiterentwicklung hocheffizienter Verbrennungsmotoren, Hybridisierung und schließlich "emissionsfreie" Antriebe mit Batterie oder Brennstoffzelle. Nach diesem Schwenk in die Zukunft wird Mohrdieck konkret, welches F-Cell Modell bei Mercedes als nächstes über die Rampe geschickt wird. Es ist der GLC, dessen Entwicklungsstand als Brennstoffzellen-Variante dem Herrn Professor sichtlich Freude bereitet.

Denn er kann nicht nur vermelden, dass die komplette Technik noch effizienter arbeitet. Einen Großteil seines Stolzes generiert der Technik-Chef aus der Tatsache, dass die Antriebstechnik des F-Cell die Architektur des konventionellen GLC optimal nutzt. Zum Beispiel: Der klassische Mitteltunnel der Karosserie beherbergt einen zusätzlichen Wasserstofftank, außerdem können die vorhandenen Anbindungspunkte des Verbrennungsmotors auch für das Brennstoffzellenaggregat verwendet werden. Das spart Kosten und fördert auch den Einsatz in anderen Modellen mit dem Stern auf der Haube.

Klar: Der Erfolg für diese Energieform wird sich nur einstellen, wenn das lückenhafte Netz der Wasserstoff-Tankstellen endlich feinmaschiger wird. Immerhin soll es bis 2023 möglich sein, das begehrte Gas hierzulande an 400 Tankstellen zu zapfen. Zudem soll den künftigen Kunden des F-Cell die Angst vor dem Liegenbleiben dadurch genommen werden, dass der Wagen mit der voll geladenen Batterie (die auch an der Steckdose gespeist werden kann) fast 50 Kilometer weit fährt, selbst wenn der Wasserstoffvorrat aufgebraucht ist.

Mit der Reichweite ist das so eine Sache, denn es macht schon einen Unterschied, ob man unter Normbedingungen im Labor unterwegs ist oder unter Alltagsbedingungen bei Wind und Wetter über die Straßen rollt. Unter diesem Aspekt ist dann auch die Reichweite von etwa 400 Kilometer mit vollem Wasserstofftank nur eine theoretische Diskussionsgrundlage. Immerhin ist die Tankzeit von maximal drei Minuten festgeschrieben. Zudem geht das Nachfüllen mit der international genormten Zapfpistole kinderleicht.

Die Serienproduktion des Brennstoffzellenantriebs im schwäbischen Nabern bei Stuttgart ist noch überschaubar. An sechs Werkstationen entstehen pro Woche Brennstoffzellenaggregate im einstelligen Bereich. Aber man ist in der Produktionsstätte auf Zuwachs eingerichtet, könnte bei der freudigeren Abnahme von F-Cell-Autos entsprechend draufsatteln und in das Mercedes-Werk Bremen liefern, wo die GLC-Reihe zusammengeschraubt wird.

Aber es geht Daimler mit der Brennstoffzelle nicht nur um die Mobilität. Schon reift in der Denkfabrik des Hauses ein Projekt, diese Energiequelle auch stationär zu nutzen. Zum Beispiel als Back-Up System für die riesigen und stromfressenden Datenzentren, die weltweit wie Pilze aus dem Boden schießen. Dort wäre ein Stromausfall ohne schnelle Notstromversorgung eine Katastrophe. Natürlich ginge das auch mit Diesel-Aggregaten. Allerdings könnte man vor Ort den Wasserstoff mit Hilfe von Solar- oder Windanlagen umweltneutral herstellen.

Und wie fährt sich der GLC F-Cell? Wir durften als Beifahrer in einem Vorserienmodell einen ersten Eindruck gewinnen. So viel sei schon verraten: Ganz ohne Krawall geht der F-Cell hurtig zur Sache. Und wenn die Leistung mal ganz schnell benötigt wird - zum Beispiel beim Überholen - dann zweigt der Antrieb für mehr Schubkraft flugs Zusatzenergie aus der Batterie ab. Durch intelligentes Rekuperieren in Schubphasen wird der Vorrat jedoch alsbald wieder aufgefüllt.

Dazu nutzt der Wagen etliche Informationen, die er über Sensoren oder Kartenmaterial aus dem Navigationssystem bekommt. Denn der Abstand zum vorausfahrenden Auto oder der herannahende Kreisverkehr sind willkommene Gründe, beim Gaswegnehmen besonders viel Bremsenergie in der Batterie zu bunkern. Bis zum ersten authentischen Fahreindruck müssen wir noch bis Mitte 2018 warten. Dann wird Mercedes zum Ausprobieren der ersten Serienfahrzeuge einladen. So wie es aussieht, sind sie dann nicht bloß als rollende IP-Adresse unterwegs.

Klaus Brieter / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie 4x4 Allrad Auto NEWS wurde von Klaus Brieter am 21.03.2018, 09:32 Uhr veröffentlicht.