ALLRAD-NEWS

Alexandra Felts/SP-X - 20. November 2015, 14:27 Uhr - 4x4 Allrad NEUHEITEN

Peugeot auf dem Weg zur Rallye Dakar 2016 - Monsieur Loebs Gespür für Sand

Zum zweiten Mal nach langer Pause kehrt Peugeot zur Rallye Dakar zurück. Bevor es im Januar losgeht, läuft jetzt in Marokko die Generalprobe zu diesem härtesten Langstreckenrennen. Erstmals dabei in der Marken-Equipe der Stars: der mehrfache Rallyeweltmeister Sébastien Loeb.

Marokko. Der sanfte, warme Wind zeichnet Muster in den Sand. Im Hintergrund erhebt sich das Wanderdünengebirge von Merzouga mit Graten wie Bügelfalten. Hier wo die marokkanische Sahara beginnt und auch die algerische Grenze nicht mehr weit ist, müsste er vorbei kommen. Stunden vergehen. Dann hört man das ferne Klopfen eines Hubschraubers, das die Ankunft von Sébastien Loeb am Steuer des Peugeot 2008 DKR ankündigt. Von ferne gleicht dieses Monster-Buggy einem bedächtigen Käfer, der Sandhügel um Sandhügel erkrabbelt. Dann ist er plötzlich mit mächtig krachendem Motor da, und auch schon wieder weg. Spätestens jetzt wird klar, weshalb das Fernsehen beim Motorsport überschaubare Rundkurse vorzieht.

Der Hubschrauber mit Mechaniker und Arzt an Bord ist Begleitschutz. Denn sollte dem erfolgreichsten Rallyefahrer der Welt bei den Erprobungsfahrten zur Dakar 2016 etwas zustoßen, könnte er im netzlosen Gelände lange auf Hilfe warten. Neunmal hat der 41-jährige Elsässer Loeb die Rallyeweltmeisterschaft (WRC) gewonnen. So oft, wie noch keiner vor ihm. Zuletzt fuhr er für Citroën in der Welttourenwagenmeisterschaft (WTCC), die von Peugeots Schwestermarke dominiert wird. Für die Rallyewelt war Loebs Verpflichtung für die Rallye Dakar 2016 eine Sensation. Der Mann mit der kleinen, muskulösen Statur des ehemaligen Turners stößt zu einem Dreamteam, das aus Stéphane Peterhansel, Rekord-Gewinner der Rallye Dakar auf zwei und vier Rädern besteht, dem nicht minder großen Carlos Sainz und Cyril Despres, ebenfalls mehrmaliger Gewinner dieser Marathon-Rallye in der Motorradwertung.

"Natürlich kenne ich meine Teamkollegen schon lange. Es ist aber trotzdem ein hoher Anspruch, hier dabei zu sein". Loeb sagt das nicht nur aus Höflichkeit. Er wirkt hochkonzentriert und doch in sich gekehrt. "Rallye ist etwas völlig anderes. Hier musst du statt an einem Wochenende über zwei Wochen durchhalten. Ich habe zwar meinen langjährigen Co-Piloten Daniel Elena dabei. Aber wir erarbeiten nicht unser eigenes Roadbook, die Navigation wird geliefert. Jemand anderer gibt die Gefahrenstufen vor. Was, wenn sie eine Situation anders einschätzen als ich? Es bleibt ein Wimpernschlag für Korrekturen."

Er übt sich in die vielen Unwägbarkeiten ein. "Das Terrain ist eine einzige Herausforderung, du siehst nichts, wenn vor dir Leute fahren. Du darfst dich nicht verfahren. Hier muss ich als Fahrer nicht nur am Limit unterwegs sein, ich muss wegen der Gefahren mehr als sonst richtig mitdenken." Könnte sich der weltbeste Rallyefahrer vorstellen, die Dakar aus dem Stand zu gewinnen? Loeb spielt mit seinem Espressobecher: "Jeder fährt auf Sieg, und natürlich gibt es immer ein Favoritensterben, aber schon ein Platz auf dem Podium wäre ein Wunder." Man glaubt ihm, dass es nicht Koketterie, sondern Respekt vor dem faszinierenden Neuland Dakar ist. "Ich bin zum ersten Mal ausschließlich auf unbefestigten, kaum markierten Wegen unterwegs." Zur Lernkurve Loebs gehört auch das Fahren auf Sand und in der dünnen Luft der Anden. "Hier in Marokko lerne ich beispielsweise, Sand zu lesen, festen von tiefem zu unterscheiden. Wie musst du dich bewegen, um dich nicht einzugraben, wie dabei den Heckantrieb nutzen, um beim Strecke machen nicht Tempo zu verlieren." Fast mit Bedauern merkt er noch an, dass mit dem Ausstieg Perus, kaum noch extreme Wüstenpassagen in Bolivien und Argentinien blieben.

Vor 25 Jahren ist Peugeot aus dieser ur-französischen Rallye, die einst vom Versailler Schloss bis in den Senegal führte, ausgestiegen. Marken wie VW, Mitsubishi und zuletzt Mini mit vier Siegen übernahmen die Führung bei dieser Extremtour der Rallye Raid-Serie, die zum 8. Mal im motorsportverrückten Südamerika ausgetragen wird. In diesen Tagen in der vielfältigen Landschaft Marokkos, die traditionell beste Bedingungen für die Vorbereitung bietet, probt Peugeot Phase zwei der Rückeroberung. Bereits letztes Jahr feierte das Team unter Leitung des Motorsportdirektors Bruno Famin die Rückkehr zur Dakar. Allerdings landete man auf dem 11. Platz der Gesamtwertung. "Natürlich waren wir etwas enttäuscht", sagt Famin mit gallischem Schulterzucken. "Aber wir wollten zunächst auch nur sehen, ob sich der 2008 DKR über Tausende von Kilometer als zuverlässig erweist. Dieses Jahr geht es vor allem um gesteigerte Leistung."

Die Zeit drängt. Ende November werden die vier Peugeot-Ungetüme und der Fahrzeugtross nach Argentinien eingeschifft. Für das Team steht der komplett überarbeitete 2008 DKR15 zur Verfügung. Nach jedem der rund 400 Kilometer langen Stints über Sand und Geröll besprechen sich die Fahrer mit Famin und den Technikern über Verbesserungen beim Handling. Jedes veränderte Detail der Einstellungen am Set-up wird dann nach Frankreich weitergeleitet, wo die drei anderen 2008 DKR zeitgleich gebaut werden. Wenn ein Fahrer mit dem Buggy mit winzigem Löwen am Maul unterwegs ist, kann man seinen Weg über GPS an einem Computerbildschirm verfolgen - eine Art Google Earth ohne die üblichen Anhaltspunkte.  

"Die Rückkehr zur Dakar lebt von der technischen Herausforderung. Aber dieser Sport ist auch ein Marketinginstrument", erklärt Famin ganz offen, "denn die Präsenz des Begriffs 2008 ist ganz wichtig für unsere Märkte in China oder Südamerika". Nicht nur bei der Rallye Dakar will die traditionsreiche Motorsportmarke zu alter Größe zurückkehren. Aus Kostengründen hatte man sich aus dem LMP1-Prototypensport zurückgezogen, dann aber 2013 mit Loeb am Steuer des 208 T16 und einem neuen Rekord beim legendären Bergrennen Pikes Peak ein Ausrufezeichen gesetzt. "Verglichen mit anderen Motorsportarten ist unsere Investition hier gar nicht mal so hoch, der Nutzen aber effektiver."

Mit seinem Namensgeber, dem kompakten Crossover 2008, teilt dieses Über-Buggy nicht einen Komponenten. Der Gitterrohrrahmen des Dakar-2008 wird von einer Carbon-Karosserie umhüllt, dazu einteilige Magnesiumräder für die Michelin-Stollen im Lkw-Format und kurze Überhänge. Anders als Formel Eins-Dämpfer, die unter 300 Gramm wiegen, hat der schwarze Wüstenlöwe mit dem Riesenemblem des potenten Partners Red Bull acht hydraulische Dämpfer mit je 5,1 Kilo Gewicht an Bord. Dazu einen 400-Liter-Tank. Das Herzstück ist der als Heck-Mittelmotor verbaute V6-Biturbo-Diesel mit drei Litern Hubraum, 350 PS und einem maximalen Drehmoment von 800 Nm. Eine Besonderheit ist der reine Heckantrieb, der gegenüber den Allrad-Rivalen einen Gewichtsvorteil bietet. "Sicher gibt es Nachteile im Gelände, die erfahrene Piloten aber kompensieren können. Aber wir haben uns für die Zweirad-Buggy-Klasse entschieden, weil uns das Règlement viel mehr Freiheiten bei der Entwicklung erlaubt", erklärt Bruno Famin. Nach der Dakar 2015 wuchs der Dakar-Kämpe um 20 Zentimeter in die Breite und Länge. "Das macht ihn stabiler und erlaubt höhere Kurvengeschwindigkeiten", erklärt Stéphane Peterhansel. Der 50-jährige mit dem wettergegerbten Gesicht ist zum zweiten Mal für Peugeot am Start. "Ich war bei der Dakar seinerzeit noch als Motorradfahrer unterwegs, als bei einer Etappe plötzlich der legendäre Ari Vatanen auf Peugeot an mir vorbei flog. So schließt sich der Kreis."

Dieser Artikel aus der Kategorie 4x4 Allrad Auto NEUHEITEN wurde von Alexandra Felts/SP-X am 20.11.2015, 14:27 Uhr veröffentlicht.