ALLRAD-NEWS

Hanne Lübbehüsen/SP-X - 26. Februar 2015, 15:28 Uhr - 4x4 Allrad NEUHEITEN

Höher gelegte Autos liegen im Trend - Fahren wir in Zukunft alle SUV?

Die Pkw-Form SUV boomt in einem in der Geschichte des Autos noch nie dagewesenen Ausmaß. Wo führt das hin? Eine Spurensuche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Wenn ein vierjähriger Steppke fragt: ,,Warum fährst Du so ein komisches Auto?" ,,Komisch?" ,,Das ist so flach." Dann fährt Steppkes Mama SUV, man selbst ,,nur" Kombi. Die SUVsierung der Modellpaletten hat in den vergangenen Jahren mächtig Fahrt aufgenommen. Von Mini-SUV (Nissan Juke, Opel Mokka, Peugeot 2008) über das Kompaktsegment (Audi Q3, VW Tiguan, Ford Kuga) bis zur Oberklasse (BMW X5, Volvo XC90, Mercedes M-Klasse) haben so gut wie alle Hersteller mehrere SUV im Modellprogramm.

Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes sind im vergangenen Jahr 20,6 Prozent mehr SUV verkauft worden als 2013. Dazu kommen diverse große Offroader, die aufgrund ihrer Typgenehmigung statistisch den Geländewagen (+6,5%) zugeordnet werden. Etwa jedes sechste Auto, das 2014 neu zugelassen wurde, fiel in eines der beiden Segmente. Im Jahr 2008 waren es nicht einmal halb so viele.

Etwa seit den 90er-Jahren hat das Segment der ,,Sports Utility Vehicle" zunächst in den USA Fahrt aufgenommen, als Begründer gilt der Toyota RAV4. Der Trend zu hochgelegten Karosserien schwappte dann auch nach Europa. Wichtiger als Fähigkeiten im Gelände - viele Modelle bieten Allrad-Antrieb nur gegen Aufpreis - sind ein robuster Auftritt mit ausgestellten Radhäusern, steiler Front und Offroad-Beplankung sowie der typische erhöhte Einstieg.

,,SUV sind vor allem beliebt, weil sie die Geländewagenanmutung das Bedürfnis vieler Menschen nach hoher Sicherheit und kokonartiger Geborgenheit optisch sehr gut repräsentieren", meint Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management.
,,Die pseudosportliche Form lockt eine rapide alternde, vor allem westliche Kundschaft, die nicht mehr fit für den 911er ist", glaubt  Designer Paolo Tumminelli. ,,Dass die Dynamik nur künstlich ist, stört niemanden: Schließlich sind bei der anvisierten Zielgruppe Haaren, Ohren, Hüften, Herz - und Gott weiß was sonst noch - bereits jetzt künstlich."

Längst haben die Autohersteller natürlich alle Altersgruppen -und Käuferschichten für das Segment entdeckt. Vom Einstieg für rund 11.000 Euro mit dem Billig-SUV Dacia Duster bis zu den für dieses Jahr angekündigten Modellen der Luxus-Hersteller Bentley (Bentayga) und Maserati (Levante). Dass selbst die Traditionsmarke Rolls-Royce, ein hochgebocktes Modell angekündigt hat, zeigt, wie ernst die Hersteller den Trend nehmen. So stockt beispielsweise Mercedes die Kapazitäten im amerikanischen Tuscaloosa-Werk auf. Aufgrund der anhaltend starken Nachfrage nach SUV benötige man alle verfügbaren Produktionskapazitäten für dieses Segment, heißt es in einer Mitteilung. Porsche, eigentlich ein Synonym für Sportwagen, produziert inzwischen mehr SUV als 911er oder andere Sportler. 

Doch müssten die immer anspruchsvolleren Emissionsnormen rund um den Globus den Trend zu mehr Hochbeinern nicht automatisch stoppen? Größe, Gewicht und die höher im Wind stehende Karosserie verlangen jedenfalls einen tieferen Griff in die Kiste der Spritspartricks, als die flacher geformten Limousinen, Coupés oder Kombis die bisher das Produktportfolio der Hersteller beherrschten.

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs wird deshalb zum Standard werden, glaubt man beim Automobilzulieferer Bosch: ,,Wenn Sie in zehn Jahren in Deutschland ein SUV kaufen, wird wohl in nahezu 100 Prozent der Fälle ein Hybridantrieb an Bord sein", sagt Stefan Seiberth, Bereichsvorstand Gasoline Systems.

In der EU liegt die Flottengrenze ab 2021 bei 95 Gramm CO2/km, was einem Durchschnittsverbrauch von 4,1 Litern Benzin (3,6 Litern Diesel) auf 100 Kilometern entspricht. Ein Wert, den SUV üblicherweise verfehlen. Nach Angaben des Center of Automotive Management der FH Bergisch Gladbach lagen die CO2-Emissionen des Segments SUV im Dezember beispielsweise bei durchschnittlich 141,8 g CO2/km und damit deutlich über dem Durchschnitt anderer Segmente, wie der Oberen Mittelklasse (138,1 g/km).

Für große und schwere SUV sieht Seiberth den Plug-in-Hybrid trotzdem als Mittel der Wahl. Verbrauchsversprechen aktueller SUV-Plug-ins wie Volvo XC90 (2,5 Liter bei 400 PS), BMW X5 (3,8 Liter bei 300 PS) und Porsche Cayenne (3,4 Liter bei 416 PS) klingen ebenso verführerisch wie phantastisch.

Macht die Hybridisierung also den Weg frei für SUV für jedermann? Fahren wir in Zukunft alle SUV? ,,Ja, das Auto wird höher", sagt Design-Professor Tumminelli, auch wenn das Wort SUV dann nicht mehr immer angebracht sei. Selbst Limousinen und Sportwagen seien schon höher geworden. Andere Designs bleiben auf der Strecke - wer will sich schließlich im engen Verkehr zwischen all den hochsitzenden Autofahrern herabgesetzt fühlen. Das erzeugt eine Art Gruppenzwang: ,,Wenn alles höher wird und alle mitmachen wollen, gewöhnt man sich schnell daran und vergisst, was früher schön war", so Tumminelli. Was ,früher' schön war? Davon erzählen wir dann in einem guten Dutzend Jahren - wenn Steppke seinen Führerschein macht.

Dieser Artikel aus der Kategorie 4x4 Allrad Auto NEUHEITEN wurde von Hanne Lübbehüsen/SP-X am 26.02.2015, 15:28 Uhr veröffentlicht.